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Wege zur Freiheit

Mit gerade einmal 21 Jahren war Dietrich Bonhoeffer bereits Doktor der Theologie, mit 24 hatte er seine Habilitation abgeschlossen. Im Alter von 39 Jahren wurde er als Mitglied der Widerstandsgruppe um Admiral Canaris auf Befehl Hitlers am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg erhängt. Einen Monat später hatten US-Soldaten das Lager befreit. Der Zweite Weltkrieg war vorbei.

Mit “Wege zur Freiheit” hat Alois Prinz eine Biografie zu Bonhoeffers Leben verfasst, die interessante Einblicke in das aufwachsen und die Entwicklung Bonhoeffers hin zum Widerstandskämpfers bietet. Mehr zu Bonhoeffers Theologie und seinen Glauben lässt sich jedoch zweifellos aus seinen eigenen Werken lernen.

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Der Ruf Gottes

Bonhoeffer beschreibt den Ruf Gottes am Beispiel Jeremia als einen unentziehbaren Ruf dem, in der Nachfolge, Taten folgen.

Jeremia wehrte sich gegen Gottes Ruf, er wollte ausweichen, die Flucht ergreifen - Aber: Er konnte nicht anders als dem Ruf zu folgen. Weil er Gott nicht mehr loswerden kann und Jeremia zum verlachten, verrückten, zur Gefahr für die Ruhe und den Frieden der Menschen erklärte.

Wir dürfen nicht nur Lob erwarten in der Nachfolge - Jeremia wurde als Fantast, Friedensstörer und Volksfeind verschrien, den man schlägt, einsperrt und foltert.

So werden die gescholten, die von Gott besessen und gefasst waren, denen Gott zu stark geworden war.

Wie gerne hätte Jeremia anders geredet. Wie gerne hätte er mit den anderen Friede und Heil geschrien, wo doch Unfriede und Unheil war.

Von Frieden und Sicherheit

Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit

Auch heute finden wir uns wieder in einem Wettrüsten der Nationen. Durch Abschreckung und militärische Überlegenheit hoffen wir darauf Sicherheit zu erlangen. Doch ist diese vermeintliche Sicherheit wirklich ein Garant für Frieden?

Bonhoeffer widerspricht - Der Friede muss gewagt werden, er ist das eine große Wagnis und lässt sich nie und nimmer sichern.

Frieden ist das Gegenteil von Sicherung.

Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg.

Gefahr der Theologie im Glauben

Die größte Gefahr liegt darin, dass jemand so lange über den Glauben nachdenkt, bis das Nachdenken wichtiger wird als der Glaube selbst.

Für Bonhoeffer sind die Morgenandacht und seine halbstündige Meditation grundlegende Elemente um im Glauben gefestigt zu bleiben. Für ihn ist die Erkenntnis in der Theologie untrennbar von der Existenz als Nachfolger.

Bekennende Kirche

Hitler wurde in der evangelischen Kirche zum Teil als Nachfolger Luthers gesehen - als ein “wahrer Wundermann”. Nach dem Sieg über Polen sagte der Leiter der EKD:

Zu den Waffen aus Stahl haben wir unüberwindliche Kräfte aus dem Wort Gottes gereicht.

Friedrich Werner, Leiter EKD

Nur ein kleiner Teil der Kirche formierte sich zur Bekennenden Kirche, die sich gegen Hitler stellte. Bis 1937 waren bereits 800 Angehörige der Bekennenden Kirche inhaftiert worden. In Bonhoeffers Verständnis ist der Kampf um die Gerechtigkeit ebenso Teil des Christseins, wie das weiter tragen des Evangeliums:

Es ist wichtig, dass Jesus seine Jünger auch dort preist, wo sie nicht unmittelbar um des Bekenntnisses zu seinem Namen willen, sondern um einer gerechten Sache willen leiden.

Bonhoeffer hielt es zum einen für Naivität der Christen, beim Brennen der Synagogen tatenlos zuzusehen und sich selbst in Sicherheit zu wiegen:

Wenn heute die Synagogen brennen, dann brennen morgen die Kirchen.

Gleichermaßen hielt er das erheben der Stimme für die Juden für eine absolute Notwendigkeit, ohne das jeder Lobpreis Gottes höhnisch wäre:

Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.

Ethik

In seinem nie vollendeten, wohl aber wichtigsten Buch “Ethik” verfasst Bonhoeffer eine Abhandlung über Fragen der politischen Verantwortung, Widerstand, Gewissen und christlichem Handeln in Extremsituationen. Einige der in Prinz Biografie aufgeführten Gedanken Bonhoeffers:

Zum Erfolg:

Welt und Gott als Einheit

Seine Weltlichkeit trennt ihn nicht von Christus, und seine Christlichkeit trennt ihn nicht von der Welt. Ganz Christus angehörend, steht er zugleich ganz in der Welt.

Pflicht als eine Maskerade des Bösen

Verachtung der Welt

Gott wandte sich der Welt zu - wir dürfen diese deshalb auch nicht verachten oder verwerfen.

Gott selbst hat die Menschen nicht verachtet, sondern ist Mensch geworden um der Menschen willen.

In beiden Fällen werden Menschen radikalisiert und verlieren die Achtung vor der Welt und den Menschen.

Freuden

Auch der menschliche Leib hat seine Rechte - Recht auf leibliche Freuden

Diese Freuden dürfen nicht verdorben werden durch die Frage, was sie für einen Zweck haben.

Wissen

Gedanken aus dem Gefängnis

Wir neigen dazu Gott in den Extremsituationen des Lebens zu suchen - Bonhoeffer aber lehrt, dass man so Gott limitiert auf die Räume und Fragen die wir selbst nicht beantworten können - nicht aber dort, in den Notlagen, ist Gott notwendigerweise zu finden, sondern mitten im Leben soll man ihn suchen.

Wer Gott mitten im Leben erfahren will, der muss ein Mensch für andere werden.

Im Gefängnis hütet sich Bonhoeffer vor Gedanken der “Weltflucht”, er sieht es uns aufgetragen die Konsequenzen wie Jesus in Kauf zu nehmen und sucht viel mehr nach einer “tiefen Diesseitigkeit”. Die er wie folgt definiert:

Dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben, – dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist Umkehr und so wird man ein Mensch, ein Christ.

In seiner Zelle von 1,5 auf 2 Metern muss er sich mit Fragen konfrontieren wie “Ist Gott auch hier?” - über seine Zeit im KZ Buchenwald schreibt er:

Aura des Glücks und Freude über die kleinsten Dinge im Leben dazu tiefe Dankbarkeit für die bloße Tatsache am Leben zu sein.

Er kommt zur Schlussfolgerung:

Dankbarkeit fürs Leben und Einwilligung in den Tod gehören zusammen.

Lieben

Von sich absehen, sich hingeben zu können. Nur wer das kann, kann auch verstehen, dass Wahrheit etwas ist, das außerhalb von uns lebendig ist.

Wir müssen es sowohl verstehen auf Gott, wie auch auf Menschen hören zu können. Beides ist untrennbar voneinander.

Dummheit

Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos.

Diese “Dummheit” führt zu einem Verlust der inneren Selbstständigkeit, welche im Gespräch spürbar wird. Man redet nicht wirklich mit dem anderen selbst, persönlich, sondern mit in ihm mächtig gewordenen Schlagwörtern und Parolen. Der Mensch ist gefangen in einer Verblendung und einem Bann, in der er in seinem eigenen Wesen missbraucht und misshandelt wird. Er wird zu einem willenlosen Instrument. In der inneren Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott, sieht Bonhoeffer die einzige Überwindung dieser Dummheit.

Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies Tröstliche für sich, daß sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.

Warnend sind diese Worte insofern, dass wir immer zu identifizieren verstehen müssen, ob in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft das individuelle und selbstständige Denken der Menschen gefördert wird, oder aber verstummen soll. In letzterem Fall ergibt sich schnell eine Struktur die Menschen geißelt statt frei setzt.

Spannend ist immer, wenn sich die Verständnisse und Analysen verschiedener Denker überschneiden. Bonhoeffers Verständnis der Gefahr der Dummheit deckt sich mit C.G. Jungs Verständnis des Unbewusstseins.

Wer hält stand?

Doch: Ein böses Gewissen kann heilsamer und stärker sein als ein betrogenes Gewissen. Das vermag jedoch derjenige, dessen einziger Halt das Gewissen ist, nicht zu begreifen.

Courage - freie Verantwortung

Stand hält derjenige der sich nicht auf sein eigenes Gewissen verlässt, sondern sich von Gott in seinen Taten getragen weiß:

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen; nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen; nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Der Tod

Der Tod ist ja nur furchtbar für den, der Angst hat, der ihn fürchtet. Der Tod ist nicht wild und schrecklich, wenn wir nur stille sind und uns an Gottes Wort halten. Der Tod ist nicht bitter, wenn wir nicht verbittert sind.

Wer weiß denn, ob nicht Ängste und Nöte des Menschen nur das Zittern und Schaudern vor dem herrlichsten himmlischsten, seligsten Ereignis der Welt sind?

Der Tod ist die Hölle und die Nacht und die Kälte, wenn ihn unser Glaube nicht verwandelt. Aber das ist ja das Wunderbare, dass wir den Tod verwandeln können.

Am 9. April 1945 wird Dietrich Bonhoeffer auf direkten Befehl Adolf Hitlers im KZ Flossenbürg erhängt. Der Überlieferung nach bleiben dies seine letzten Worte:

Für mich ist dies das Ende, aber auch der Anfang,

Ich glaube an die weltweite christliche Brüderlichkeit,

die über allem Hass zwischen den Völkern steht

und dass unser Sieg gewiss ist.


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